Die Tage in der Hütte ergossen sich wie ein leises, klares Quellrinnsal. Eine Kommune auf Zeit, in der manchmal jeder verteilt in einer Ecke des Gartens schrieb, auf der Gitarre zupfte oder Feuer machte und dann wieder alle zusammen lachend, diskutierend und auch innige Gespräche führend im Kreis auf dem Boden saßen. Rangi war zu einem Freund gefahren und hatte uns einfach den Schlüssel für sein wildes Traveller-Schloss da gelassen. Wir versuchten unser Bestes, um dafür die Hütte wieder in Schuss zu bringen und fegten, spülten und schrubbten was das Zeug hielt. Nachdem wir beschlossen (oder eher die anderen beschlossen hatten, und ich mitzog, weil ich ja eigentlich auf dieser Reise sportlicher werden wollte), eine Bergtour zu unternehmen, wurde ich morgens um 6! Uhr mit lautem Gepolter und Gepacke geweckt, damit wir noch bei Sonnenlicht wieder zu Hause ankommen würden. Nachdem meine Wanderschuhe immernoch ihre eigene Reise irgendwo in England unternahmen, konnte ich nur mit meinen einzigen anderen „festen“ Schuhen losziehen, den lila Chucks, die mich auch schon durch den Monsun des Summatra Dschungels getragen hatten. Ich liebte sie, aber sie waren höchst ungeeignet für diese Art von Unternehmung. Letztendlich verbrachte ich den Tag damit, in 30 Meter Abstand von allen keuchend den felsigen Weg bergauf zu bezwingen und dann noch langsamer einen noch felsigeren Weg wieder hinab zu fallen. Es war eine ungewohnte Art von Natur, denn es wirkte schroff und gleichzeitig war man ständig umgeben von einer weichen Atmosphäre. Der Ausblick war in alle Richtungen wie immer atemberaubend und auf der Spitze angekommen, musste ich zugeben, dass es etwas sehr philosophisches auslöst, Berg und Selbst bezwungen zu haben. Dennoch war ich danach ungelogen zwei komplette Tage außer Gefecht gesetzt. Der Muskelkater war so schlimm, dass ich die Beine weder anwinkeln, noch in gewöhntem Abstand zueinander platzieren konnte. Und oben drauf waren meine Fußgelenke, aufgrund des fehlenden Halts in den Schuhen, so oft abgeknickt, dass Laufen als Option der Fortbewegung eigentlich erst einmal ad acta gelegt werden musste. Während die anderen also baden, bummeln und einkaufen gingen, saß ich im Garten und vermisste meinen Mann. Es war noch eine Woche, bis wir unsere verrückten Flitterwochen auf unbestimmte Zeit verbringen würden. Und die Sehnsucht wurde angesichts dieser kurzen Zeitspanne merkwürdiger Weise unerträglich. Ich habe mich mein Leben lang dagegen gewehrt, in einer Beziehung das Vermissen als Instrument der Eins-Werdung zu verwenden. Rein nach dem Zitat:
„Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige; immer ist der wichtigste Mensch, der dir gerade gegenübersteht; immer ist die wichtigste Tat die Liebe.“
Die Unabhängigkeit in der Liebe ist mir aus vielen Gründen unheimlich wichtig. Zum Beispiel, weil ich glaube, dass zwei unabhängige Individuen die Chance auf Freiwilligkeit haben, und auf eine gesunde Liebe. Aber auch, weil mir die Unabhängigkeit schon abhanden gekommen war. Sie ist eines der höchsten Güter und es wert, sie zu schützen, für sie zu kämpfen und sie immer wieder zu überprüfen. Und doch konnte ich in dieser letzten Woche vor dem Neubeginn, nicht umhin, diesen brennenden Schmerz der Sehnsucht zu fühlen, die ja auch ein süßes Leiden ist. Sie erinnert mich daran, wie glücklich ich mich schätzen kann, jemanden so zu lieben.
Eines einsamen Hütten-Nachmittags schrieb ich also mit dem Nino, was er noch alles vor dem Flug bedenken und organisieren musste. Drei Tage waren für die Reise eingeplant und am Tag vor Abflug musste er noch seine praktische Prüfung zum Autoführerschein ablegen. Nachdem er in seinem Leben noch nie in einem Flugzeug gesessen hatte und Prüfungen nicht unbedingt zu innerer Ruhe beitragen war er leicht gestresst und unser Gespräch lief nicht besonders rosig. Am Ende saß ich heulend im Schneidersitz auf der Hängematte im Garten und starrte wütend das Tablet an, als wäre dieses tatsächlich mein Ehemann. Er hatte Balast bei mir abgeladen und hasste es von irgendjemandem organisiert zu werden und gleichzeitig wusste er, dass es nicht ganz ohne Organisation von beiden Seiten verlaufen konnte. Und mir war in diesem Augenblick bewusster denn je, dass eine gemeinsame Weltreise als frisches Paar eine andere Rubrik war, als das, was ich bisher erlebt hatte. Ich schaute um mich und versuchte zu begreifen, was für Gefühle in dieser Situation alles in mir herum schwirrten. Und da schickte er mir zwei Songs. Zwei, die er mir noch nie gezeigt hatte. Er beschrieb sie als Widerspiegelung seiner selbst. Ich hörte sie beide drei, vier Mal und mir liefen die Tränen in Strömen über das Gesicht. Mich berührte die Aufrichtigkeit und Offenheit, mit der mir dieser Mensch begegnete auf eine Weise, die ich nur als Liebe bezeichnen kann. Wir waren so unterschiedlich und anstrengend in Kombination. Wo ich vertraute war er misstrauisch, wo er ruhig war, war ich schrill. Wir liefen automatisch bei jeder Entscheidung in verschiedene Richtungen und konnten Höllenqualen leiden, unter der Kritik des anderen. Und dennoch, wenn es etwas gab, dass uns keiner nehmen konnte (nicht mal wir selbst), war es ein bestimmtes versiegeltes Band, das niemals angekratzt wurde. Ein Fundament des „angekommen-seins“, „alles-auf-eine-Karte-setzens“, „umeinander-kämpfens“, „das-Herz-am-rechten-Fleck-habens“ und der Bedingungslosigkeit. Und als er diese Lieder mit mir teilte, erinnerte ich mich zum abertausendsten Mal daran. Wer er war, woher er kam, wieviel er schon erlebt, eingesteckt und verteidigt hatte. Und ich war einfach nur selig und stolz. Darauf, dass ich die Chance hatte, so etwas zu erleben. Und darauf, dass er mir die Aufgabe gegeben hatte, ihm zu zeigen, wie unvergleichlich schön er, seine Natur, seine Würde und seine Liebe wirklich waren. Nur mit dir Baby…To infinity, and beyond. Sollifri










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