Beiträge mit dem Schlagwort: Pretty Smile

„Together as one“ – Kotahitanga

Vielleicht gaben mir Marlene und Lydia die erste richtige Chance, meine Erkenntnisse und inneren Errungenschaften auf eine Begegnung mit der äußeren Welt hin zu überprüfen. Ich schaute Ihnen lachend dabei zu, wie die jüngere Marlene morgens nach unserer ersten gemeinsamen Bus-Nacht Haferflocken für die beiden nach Maß für das tägliche Porridge verteilte und streng die Kohle für die kommenden Tage berechnete. Sie waren überglücklich über den Luxus einer eigenen „Küche“ und strahlten angesichts der Lebensart, nicht in einem Gemeinschaftssaal zu übernachten. Und doch ging eine Entschlossenheit von den beiden Mädels aus, die ich bewundernd zur Kenntnis nahm. Mit fast zwanzig Jahren, waren sie sich so sicher über den Erfolg, der von Disziplin und der Treue den eigenen Vorhaben gegenüber entstehen würde, dass selbst Bequemlichkeit und Bedürfnisorientiertheit keine Chance hatte, einen Keil zwischen sie und ihr Askesejahr zu schlagen. Sie waren natürlich auch hier, um heraus zu finden, welche Richtung sie danach im Leben einschlagen wollten. Und dies führte wiederum zu vielen offenen Fragen, die nach Beantwortung lechzten. Dass provokative und tiefgründige Gespräche bei mir sozusagen zum mitgeborenen Repertoire gehörten, kam Ihnen in dem Fall sehr zu Gute. Wir sammelten unseren Krempel zusammen, nachdem wir noch einmal auf Paua-Suche zwischen den Robben waren, stellten im Internet fest, dass der Staub beim Schnitzen dieser epischen Muscheln giftig sein konnte, womit wir die Bastelphase ad acta legten und starteten das erste Mal als Team den Motor.

Der erste Stop war die Plantage, auf der sie sich schon zum Arbeiten eingeschrieben hatten. Ich parkte an der Straße (in vielen Gegenden auf der Südinsel war das Parken überhaupt kein Problem, das sah auf der Nordinsel danach schon anders aus), ließ mich ab und zu im Hostel zu den Duschen schmuggeln, aß viel zu oft Chicken Tenders und Hash Bites mit Aioli bei Burger King (zum einen weil dieses Zeug so gut schmeckte, vor allem das neuseeländische Aioli, dass es mir den Verstand raubte, und zum anderen, weil es bei Burger Kind schnelles und kostenloses W-LAN gab) und schlenderte lesend und schreibend durch die ruhige Gegend. Es legte sich so schnell eine Decke aus Zufriedenheit und Entschleunigung auf mich in diesem Land, dass ich einfach nie irgendeine innere Hetze verspürte. Erstens hatte ich Zeit, Zeit ist ja schon meistens etwas, das man gewöhnlich im Urlaub nicht hat, und zweitens wollte ich momentan mehr mich und die Anderen spüren und die Aufregung für die kommende (BALD kommende!) Ninophase aufbewahren. Ich wusste, dass er diese innere Ruhe einfach nicht hatte und auch nicht aushalten würde auf Dauer 😀 Also genoss ich sie mit mir alleine noch in vollen Zügen.

Eines Nachts stand ich auf dem Burger King Parkplatz, weil ich in der Stadt Essen, CDs und Eindrücke shoppen war und mich noch übers W-LAN mit dem Reiseblog beschäftigte, da klopfte jemand an die Tür. Ich machte auf und wieder stand eine blonde Löwenmähne vor mir, dieses Mal aber guckte ein witziges, junges, männliches Gesicht aus ihr hervor. Der 21-jährige Noah war gebürtig aus Finnland und stand mit einem verbogenen grünen Fahrrad, einer zerrissenen hellblauen Jeans, roten Chucks und einem ausgeblichenen grauen Pearl Jam-Shirt grinsend an meiner Tür und lachte über meine Hippie-Erscheinung, die seiner Aussage nach, auch aus einem Bilderbuch hätte stammen können. Ich lud ihn ein, einen Cider mit mir zu trinken und wir redeten geschlagene 9 Stunden über … ja über uns. Wenn ich es mir recht überlege, hatte er schnell begriffen, dass ich eine gute Zuhörerin war und mir gefiel die Momo-Vorstellung, in meinem bunten Wickelrock, barfuß und mit Pearl Jam im Schneidersitz im Bus zu sitzen und die Welt durchs zuhören freundlicher zu machen. Es war hart, was er für eine Geschichte zu erzählen hatte, und umso härter, wie befremdlich es war, dass er so eine erhabene Glückseligkeit ausstrahlte. Es gibt so Personen auf der Welt, da schreckt sogar die Therapeutin in mir davor zurück, ihre Lebensgeschichte positiv zu verwandeln. Manches ist einfach scheiße. Es ist scheiße, dass seine Mum sich umgebracht hatte, als er acht Jahre alt war, und er sobald er volljährig wurde ein Ticket ans andere Ende der Welt kaufte, um so weit von seinem aggressiven Alkoholikervater zu fliehen, wie nur irgend möglich. Es war scheiße, dass er sich hier so unsterblich verliebt hatte und das auserkohrene Mädchen noch während sie zusammen ihre Zukunft ausmalten, einen zehn Jahre älteren reichen Schnösel heiratete. Und scheiße war es auch, dass er so klug und künstlerisch talentiert war, und doch noch keine Arbeit oder Ausbildung gefunden hatte, die ihn ohne Abschluss übernehmen würde. Aber am beschissensten kam mir vor, dass ich bemerkte, wie sehr ich ihn bemitleidete, statt zu erkennen, wie glücklich er war. Es war ein gebender, optimistischer Mensch, weit entfernt von irgendeiner Opferhaltung, ehrlich und unbeschämt. Er weinte, als er von seiner großen Liebe erzählte und strahlte mich gleichzeitig mit nassen, riesigen blauen Augen an und sagte: “ I will safe this love, not run, not change, only safe.“ Es berührte mich, so eine junge und gleichzeitig alte Seele über die Liebe reden zu hören. Wir holten bei einem Freund von ihm irgend ein zu rauchendes Legal-High Kräuterzeug (davon gibt es eine unendliche Auswahl in den It-Läden Neuseelands), rauchten jeder auf einer Bank liegend zur hinten offen stehenden Tür in die dunkle Nacht hinaus und kringelten uns vor Lachen, als er mir versuchte zu erklären, dass es in Herr der Ringe doch nur darum ging, ununterbrochen zu laufen ohne anzukommen. Ich hatte in meinem Leben noch nie eine so unschöne Zusammenfassung meiner Lieblingstrilogie gehört und konnte es nicht lassen, ihn lachend zu versuchen davon zu überzeugen, dass sie ständig irgendwo ankamen in dieser langen Reise. So wie ich jetzt. Zum Beispiel bei ihm, der mir ein lebendiges Beispiel von so seltener Bedingungslosigkeit gegeben hatte, welches mich mein Lebtag begleiten würde. Das saß. Er setzte sich auf, ich tat es ihm gleich, und wir schauten uns an. Er meinte ich sei weise und würde so viel Verbesserung in diese Welt tragen, nur indem ich existierte und das machte wiederum mich sprachlos. Er nahm ein Messer aus der Tasche und ritzte „your pretty smile, it could light up any room, darlin, don´t you ever stop with that smilin 🙂 Noah“`in die Seitenleiste des Busses, spielte das Lied dazu auf meinem Tablet ein, zwinkerte mir zu und sprang mit einem Satz aus der Hintertür aus meinem Leben. Ich grinste den eingeritzten Lyrics entgegen und dachte mir, wenn ich diesen ganzen lieben Botschaften in meinem Leben gerecht werden will, darf ich dieses Feeling niemals vergessen – dieses „together as one“-Feeling. Sollifri

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