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Anderswelt

Der Trip zu dritt war noch einmal eine ganz neue Form von diesem meditativen Bewusstseinszustand, den Neuseeland im Inneren vieler lange Reisender auslösen kann. Es gibt eine Karte von Campingplätzen, die nur zu dem Zweck existierten, für eine freiwillige Spende an abgelegenen Orten seine Zeit zu verbringen. Der erste, den wir so anfuhren, lag inmitten der wildesten Natur. Wir erreichten ihn erst um Mitternacht am nächsten Tag. Eine schmale, sich schlängelnde Straße führte dorthin. Die letzten zwei Kilometer wurden wir von einem suizidalen Hasen geradewegs zum Campingplatz geleitet, der Haken schlagend vor dem Bus hin und her raste. Egal was wir versuchten, half nicht, um ihn zu vertreiben. Wir löschten das Licht, blieben stehen, stiegen aus und rannten auf ihn zu. Er schlug unbeirrt seine Haken und wir tuckerten mit 7 Km/h Tränen lachend hinter ihm her. Der Campingplatz bestand aus insgesamt drei! Stellplätzen in einer Straßenbucht. Es gab eine Toilette und einen Wasserhahn, mehr brauchten wir mit unserem Porno-Bus aber auch nicht, um tagelang untertauchen zu können. Ein kleiner Pfad führte zu einem atemberaubenden See hinab, der allerdings aus Salzwasser bestand, da er vom Meer in eine von Bergen umgebene Bucht hinein floss. Um uns herum waren also Dschungel, Berge und dieser gespenstisch spiegelglatte See. Vier Nächte und Tage lebten wir dort, als würde es kein Morgen geben. Wir lasen uns gegenseitig Faust vor, diskutierten darüber „was die Welt im Innersten zusammen hält“, kochten, badeten, sonnten uns und machten Musik. Eines Nachts schlief Lydia früh ein und Marlene und ich waren unabhängig voneinander noch wach im Bus gelegen. Unsere Blicke trafen sich und wir schlichen leise gemeinsam zum See hinunter. Der Anblick war so unwirklich, dass wir uns bemühten ein Nacht-Foto davon hinzubekommen. Der Mond stand taghell über der Seespiegelfläche, auf der kein einziger Windhauch zu sehen war.

So ruhig kann das Meer sein…

Die Welt schien die Luft anzuhalten, an diesem Ort, in diesem Augenblick. Wir saßen lange überwältigt nebeneinander und sagten kein Wort.

Smoke in my lungs, the echoed stone
Careless and young, free as the birds that fly
With weightless souls now.
Read more: Ben Howard – Old Pine Lyrics | MetroLyrics

Und dann holten wir die Guitarlele und sangen Old Pine von Ben Howard. Es war, als würde die Umgebung Neuseelands diese Musik mit der Energie füllen, die ihr inne wohnt. Eine Kraft und Power, die zu Hause im hektischen hin und her des menschlichen Werdegangs in seinem Alltag, nie zu Geltung kommen konnte. Man teilweise sogar dachte, Ben Howard´s Musik existiert nur für die ruhigen Augenblicke des Lebens, und selbst dann ist sie noch schwer auszuhalten. Aber hier, an diesem See, war es die passendste und kraftvollste Musik, die je geschrieben und komponiert wurde. Wir hatten das Gefühl ein Puzzleteil aufgedeckt zu haben, was die Welt im innersten zusammen hält. Kompatibilität ent-deckt den wahren Kern, die Seele von etwas vollständig. Ben Howard kann unserer in dieser Nacht entstandenen Meinung nach, nur in Neuseeland begriffen werden.

Wir saßen dort noch lange rauchend, Cider trinkend, singend und mit der einen oder anderen Träne in den Augen, weil wir so glücklich waren. Und jemanden bei uns sitzen hatten, der die Magie des Augenblicks auf die selbe Weise empfinden konnte. Ein unbeschreibliches Gefühl von Nähe. Marlenes Stimme war professionell geschult, während meine emotional und rauchig ist. Wir klangen tatsächlich ohne selbstverliebt klingen zu wollen, ziemlich klar und eingängig zusammen. Und wir trugen diesen Moment noch lange, ich für meinen Teil sogar für immer, im Herzen. Als Rückzugsort, der an Lebendigkeit und Aktualität nicht eine Nuance eingebüßt hat bis zum heutigen Tag – mein Kraftort, der so besonders ist, weil er tatsächlich existiert.

Nach etwa zwei Stunden sitzen, reden, trinken und singen, vernahmen wir plötzlich ein Platschen aus der Nähe. Das war natürlich besonders seltsam nach so vielen Stunden absoluter Stille um uns herum. Wir versuchten durch die Kamera zu erkennen, aus welcher Richtung das Geräusch gekommen sein konnte und erschraken fast zu Tode, als wir gleichzeitig eine große, schwarze, schlauchartige Gestalt aus dem Wasser auftauchen und wieder niedersausen sahen. Etwa 15 Meter von unserem Sitzplatz entfernt tauchten kleine kreisförmige Wellen im Wasser auf, das bis zu dieser Sekunde dalag, als wäre es zu keiner Bewegung geschaffen worden. Ich watete, was meiner Reaktion auf Angst eins zu eins entspricht, mit hoch gekrempelter Hippie-Hose am Seerand entlang durchs Wasser, um näher an die Geräuschquelle zu gelangen. Doch auch aus der Nähe, sah es wieder genauso, wie durch die Kamera aus. Ein langer Schlauch, der aufsprang und nieder sauste, direkt vor meinen Augen. Ich erschrak natürlich wieder, landete mit dem Hintern im Wasser und wir lachten ein bisschen hysterisch, wieder beide am Seerand stehend, und überlegten, was wir da gerade geboten bekamen. Nach einer halben Stunde verschwand das etwa einen Meter große Schlauch-tier und wir erfuhren am nächsten Tag im Internet, dass es vielleicht eine Walflosse gewesen sein konnte. Der See fiel steil ab nach drei Metern und da er mit dem Meer verbunden war, was dies nicht unwahrscheinlich. Manchmal, aber nur manchmal, fühlt sich das Leben ein bisschen programmiert an. Es waren einfach ein paar magische Stunden.

Bei unserer Weiterfahrt, hielten wir zwei Mal an, um einen Tramper mit zu nehmen. Der erste war ein 23-jähriger Kerl, namens Tobi, mit einer Gitarre auf dem Rücken. Und der zweite war ebenfalls ein Kerl, mit einer Gitarre auf dem Rücken 😀 Aber dieser hieß Rangi Pita, was soviel wie Felsen bedeutet, wie er uns später erzählte, war 67 Jahre alt und ein Maori. Er lud uns ein, ein paar Tage in seiner abgelegenen Waldhütte zu verbringen. Rangi war eine außergewöhnliche Erscheinung. Ich hätte ihm vom ersten Moment an nicht misstrauen können, selbst wenn ich gewollt hätte. Er hatte tatsächlich so eine weise Ausstrahlung, wie man es aus Filmen von alten Indianern kennt. Ein immer lächelnder Gesichtsausdruck, eine immer kryptische Antwort auf jede Frage und eine väterliche Stabilität ausstrahlend, die einen in ein geborgenes Netz aus Glaube und Vertrauen spannt, welches man selten als junger Mensch selbst zu Stande bringt. Wir willigten alle Vier ein, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Hütte war alt, brüchig, mit Moos bewachsen und mit einem Kompostklo ausgestattet. Aber wir konnten warm duschen, hatten einen großen Garten mit einer Hängematte und einer Feuerstelle und einen großen alten Holztisch in einem loftartigen Innenraum. Es war das Paradies. Alle Ereignisse auf dieser Reise seit Neuseeland schienen so perfekt ineinander zu rieseln, als würde eine unsichtbare Feder für uns Ereignisse nieder schreiben. Wir rollten unsere Isomatten auf den Böden aus, kauften in einem Supermarkt in der 20 Minuten entfernten Stadt Utensilien für Pfannkuchen, während Tobi am Eingang eine halbe Stunde mit seinem Hut vor den Füßen klassische Gitarre spielte (er war wahrlich begnadet, in der Perfektion des gezupften Gitarrenspiels) und kochten abends alle zusammen. Es war eine ausgelassene Stimmung in dem Raum und wurde wild musiziert. Tobi und Rangi spielten zusammen die krassesten Solos, während wir alle durcheinander, ein wenig betrunken, unsere mehr oder weniger noch guten Stimmen zur Geltung brachten. Ein Feuer brannte im Kamin und die Welt schien weiterhin zu unseren Gunsten stehen geblieben zu sein. Ich ging kurz spazieren, um einen Punkt mit Empfang zu finden und dem Nino zu schreiben, dass ich ihn vermisste. Das tat ich und gleichzeitig machte mich das ganze Leben ausnahmslos glücklich. Ein „Overthinker“ wie ich hat es nicht immer leicht, zu erkennen, wie schön Alles sein konnte. Deshalb war ich umso dankbarer, dass ich es dieses Mal in dem Moment empfinden konnte, in dem es stattfand. Es war verrückt einfach gewesen, im Hier und Jetzt anzukommen. Nur eine Prise Neuseeland, Freiheit, ungeplantes Vorrücken und Achtsamkeit, schon war ich raus aus der alten, ewig erscheinenden Unzufriedenheit. Ich setzte mich auf einen Stein und schaute wie so oft schon, in die leuchtenden Sterne. Rangi setzte sich unbemerkt neben mich und schaute in die selbe Richtung wie ich. Er sagte nur einen Satz, bevor er aufstand um schlafen zu gehen: „You have got so much Power in your Eyes, I know that everything, what you love, will grow up to its fully hight.“ Ich schaute ihm erstaunt hinterher und spürte wie meine Augen leuchteten. Meine Finger umgklammerten das Tablet, mit dem ich dem Nino gerade geschrieben hatte, dass ich gar nicht glauben konnte, dass er in zehn Tagen endlich vor mir stehen würde. Ich wusste, dass unsere Beziehung in diesem Moment erst richtig los gehen würde. Er hatte seine Komfortzone für mich um den Radius der halben Welt erweitert, und ich würde die Power in mir nutzen, um es ihm, was meine Innenwelt anbetraf, gleich zu tun. Sollifri


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Society

Das Wort klingt im Englischen sehr viel freundlicher, mal abgesehen davon, dass rauszuhören ist, wie angewiesen man auch sein kann – auf Gesellschaft. „Happiness is only real when shared.“ Hat Christopher McCandless aus der Realverfilmung „Into the Wild“ also trotz der seltenen Fähigkeit, alleine in der Wildnis glücklich zu sein, am Ende das Gefühl gehabt, dass sein Glück irgendwie nicht zählt, weil es keiner mitbekommt? Ist schon komisch, wie das Lernen von Statten geht. Zuerst kämpft man darum, nichts und niemanden zu brauchen, sich zu spüren, treu zu sein und unabhängige Entscheidungen treffen zu können. Der darauffolgende Kampf geht dann jedoch in die entgegen gesetzte Richtung, es hat einen einenden Charakter, sich seiner selbst und deshalb seines Gegenübers bewusst zu sein. Das Ziel, so wie es scheint, ist immer Liebe. Sich der Unterschiede bewusst zu sein, um die Gemeinsamkeiten hoch schätzen zu können – im kleinen Maß, wie der freundschaflichen Begegnung, und im großen Maß, wie der Kontext Dorfleben, Benimmregeln, ein anerkanntes Leben etc. Ich glaube mir ist auf meiner Reise das Selbe passiert. Ich bin losgezogen, um feministische Unabhängigkeit zu erlangen, das Rätsel meiner eigenen Seele zu lösen und mich kennen und annehmen zu lernen. Und zurück kam ich mit all diesen Errungenschaften, plus dem Geschenk der Zwei- und sogar Viel-samkeit. Ich musste eine Vogelperspektive erreichen, um die komischen mir widersprechenden Regeln nachzuvollziehen. Die Menschen nachzuvollziehen, ihre Beweggründe und positiven Eigenschaften. Ihre Sehnsüchte, Ängste und bittersüßen Herzkerne und diese Betrachtung führte dazu, dass ich wieder Teil von Ihnen sein wollte. Nicht komplett, nicht ohne Individualismus, aber in dem vereinenden Charakter dass wir alle danach streben, was ich hier beschreibe – Society.

Queenstown verzauberte mich jeden Tag aufs Neue. Der weltbeste Burger (Fergburger), für den ich ungelogen gerne 45 Minuten anstand und dann 16 Dollar hinblätterte, nur für den Burger, und dies nicht eine Sekunde bereute, weil er einfach unglaublich schmeckte. Die kleinen Bars, und Straßenmärkte, die Hügel und Gewässer in den krassesten Farben überall um das Städtchen herum und die strahlenden Gesichter, der Menschen, die sich jeden Tag glücklich schätzten diese Zeit hier vom Leben geschenkt zu bekommen. „Ist ja klar, dass dein Ort am exakt anderen Ende der Welt liegen muss!“, witzelte der Nino eines Morgens beim Skypen. Ja, aber vielleicht war dies exakt das oben beschriebene Phänomen. Natürlich möchte ich die Menschen verstehen lernen, mich Ihnen wieder nahe fühlen (oder das erste Mal), und gleichzeitig vertreten, was ich anders machen würde. Abstand, Neuordnung, Alternativen sind dafür von Nöten. Und vielleicht hätte ich das nicht geschafft, wäre ich nicht am exakt anderen Ende der Welt darauf gekommen. Mit einer so geringen Bevölkerungsdichte, dass man tatsächlich entscheiden konnte, ob man allein sein möchte oder nicht. Wie selten ist das? An einem Ort, an dem die Natur einen so umhaut und so mächtig und lebendig wirkt, dass der Mensch sich daneben anstrengen muss um auch zu glänzen – wie es eben sein sollte. Kein Schall und Rauch – nur was wirklich ist oder eben nicht ist.

Die nächste Woche trieb es mich aus Neugier die Ostküste entlang wieder in die andere Richtung. Chrisy musste auch in diese Richtung und wir verabschiedeten uns mit einer langen Umarmung und ausgetauschten Nummern voneinander, als ich sie absetzte. Ich las und schrieb und roch und kochte, lief zwischen Robben an Steinküsten entlang, fotografierte ganz nahe ihre Gesichter und nahm zwei Tramperinnen mit zu einem völlig abgelegenen Campingplatz an eben so einem Steinküstenort. Die beiden wollten zu einer Plantage, da sie sich ihr Neuseeland-Jahr mit Work and Travel finanzieren mussten, und versuchten so sparsam wie möglich zu leben. Ich spürte ein bisschen Verantwortung für die gerade erst volljährigen, so erwachsen anmutenden Mädels und bot Ihnen an, wieder zurück zum Bus kommen zu können, wenn sie nicht weiter kamen. Die beiden hießen Marlene und Lydia und sollten doch meine engste Hippie-Erfahrung werden, die ich machen konnte in diesem bisherigen Leben. Später erzählte mir die Lydi, dass sie an der Straße standen, um weiter zu trampen, und sie die Marlene überredete, wieder zu mir zurück zu laufen. Einfach weil sie das Gefühl hatte, so einen Menschen trifft man kein zweites Mal. Das war eines der schönsten Komplimente, das ich je aufgrund einer ersten Begegnung bekommen hatte. Ich saß gerade in der Twilight-Zone lesend vor meinem Bus, hörte Eddie Vedder (der Into the Wild Soundtrack, der mich bis heute noch philosphisch auf meinem Weg begleitet), umrandet von tausenden angespühlten Paua-Muscheln wie in einem Elben-Paradies, da kamen die beiden mit den riesen Rucksäcken wieder grinsend um die Ecke. Es war von Anfang an eine kreative Begegnung. Wir kamen gemeinsam auf Ideen und Gedanken, die wären ohneeinander nicht entstanden. Versuchten zu schnitzen und Ketten zu basteln, diskutierten über Musik und sangen, sangen und sangen. Ich hatte meine Guitarlele wieder ausgepackt und Marlene konnte mit ihrer geschulten Stimme und der kleinen Gitarre die schönsten Songs zur Perfektion bringen. Das Bett in meinem Bus war so breit, dass wir easy zu dritt nebeneinander Platz hatten und mein weiser Kotahitanga hatte wieder einmal Leben für eine gewisse Zeit zusammen gefügt. Sollifri

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Rafting in Natura

Nachdem der Morgen schon so aufregend und affig angefangen hatte, konnte der Tag eigentlich nur noch super werden 🙂 Wir packten das letzte Mal unsere Sachen in die Rucksäcke, tranken den letzten heißen Tee mit August und Tschibur, aßen Pancakes zum Frühstück und machten uns dann auch schon auf, um die Krönung unseres Abenteuers in Angriff zu nehmen. Das Wildwasser-Rafting mit vier aneinander gebundenen Reifen. Als wir zwei dann in Badesachen in dem riesigen, reißenden Fluss standen, wurde uns irgendwie doch nochmal ganz anders 😀 Die meisten Leute, die hier am Ufer geschlafen hatten, waren drauf und dran, auch mit ihren Guides in die Reifen zu steigen…also war der Einfall jetzt nicht soooo special, aber cool 😀 Wir waren damit beschäftigt, nicht auf die Schnauze zu fallen, während wir über die spitzen Steine versuchten, durch die seichteren Gebiete des immernoch reißenden Gewässers zu balancieren, und die Kerle verstauten währenddessen unsere Rucksäcke in großen Plastiktüten, die sie mit auf ihren Reifen nehmen sollten. Als wir die Reifen selbst sahen, war die Mami nicht mehr ganz so gut gelaunt. Es waren wirklich einfach vier so Reifen, wie die einer Reifenrutsche in einem deutschen Schwimmbad…nur ohne Griffe und mit einem gespannten Netz in der Mitte, so dass man bequem drin liegen konnte. Die Aussicht war unglaublich. Der FLuss war riesig, links und rechts befand sich dichtester Dschungel, an den Ufern konnte man teilweise Klippen, Wasserfälle oder Riesenvarane sehen und man schaute unfassbar lange nach oben, bis man die Wipfel der großen Bäume mit den Augen erreicht hatte. Das Wasser sprudelte nur so vor sich hin, fand sich an Felswänden aufpeitschend und über spitze und große Steine mitten im Fluss hinfortreißend wieder.

Bald saßen wir schon alle quietschvergnügt (die Mum eher etwas quietschängstlich) in unseren Reifen, wie auf einem Sofa, August war der erste der aneinandergebundenen Reihe. Dann kam ich, danach die Mum und am Ende Tschibur. August und Tschibur hatten lange Stecken in der Hand, mit denen sie zu lenken versuchten und uns immer wieder von Felswänden abstießen, bevor wir in einem Affenzahn auf sie aufprallen würden 🙂 Und Mogli hatten wir noch dabei. Der kleine Reifenträger, der ganz verschmitzt grinste mit einem breiten, frechen Mund, und wirklich ungelogen aussah, wie man sich Mogli als Kind vorgestellt hatte 🙂 Der setzte sich ganz mutig einfach an die Seite meines Reifens und sang lustige Lieder während der Fahrt, ohne auch nur im Geringsten hinunter zu rutschen. Als die Fahrt losging (wir bekamen noch Schwimmwesten übergezogen), sang Mogli schon ¨today I don´t feel like I´m doing anything¨, meine Mutter schrie ständig, dass ich mich festhalten sollte und Tschibur kreischte von hinten ganz hysterisch, um Stimmung zu vertreiten 😀 Ich fand es geil. Wirklich. Das war so ein tolles Erlebnis, ganz sicher auch hundsgefährlich, aber das haben wir gar nicht so an uns ranlassen können…dafür war es einfach zu geil 😀 Wir rasten auch nur so dahin auf dem riesigen Fluss, manchmal stießen wir fast ans linke Ufer, manchmal fast ans rechte. Es war mit Felstwänden gesäumt und dadurch dass von beiden Seiten die Dschungelbäume in den Fluss wuchsen, und das Klima natürlich immernoch tropisch, heiß und drückend war, konnte ich es nur genießen, nass gespritzt zu werden. Wir sprangen mit unserer Gummi-Wasserschlange teilweise komplett in die Höhe, prallten auf Steine, die mitten im Fluss platziert waren und sahen die meiste Zeit nur Wellen, spritzendes Wasser, manchmal den singenden Mogli oder schäumende Spritzfontänen, die uns entgegenkamen…oder von uns ausgingen. Es war besser als jede Achterbahn, wilder, als jede Wildwasserfahrt die ich je gemacht hatte, sogar wilder als damals in der Schweiz auf dem Doubs mit dem Kanu. Die Jungs gaben sich vorne und hinten recht Mühe, mit ihren Stecken irgendwohin zu lenken, aber es schien mir, als wäre das nicht so einfach 😀 Sie waren dafür, WIE wild das Wasser gewesen ist, allerdings wirklich gut. Es gab nur eine etwas unlustigere Situation (das heißt, ich hab schon gelacht, aber die Mum danach nicht mehr so), und das war, als August uns mit seinem Stecken einmal nicht vor einer Felswand auf der linken Seite retten konnte und beim Aufprall ER derjenige war, den es vom Reifen geschmissen hat 😀 Ich packte ihn und half ihm mit Stock und Hand wieder zurück auf unser ¨Boot¨, lachte mich halb tot, und hörte gleichzeitig nur von hinten:¨ Ne oder! Jetzt ist unser Fahrer derjenige, der als erstes vom Reifen fällt! Das wird ja immer besser hier!¨ 😀

Die Fahrt ging lange…bestimmt eine halbe Stunde, und je näher wir an Bhukit Lawang heranfuhren, desto mehr Menschen befanden sich an den Ufern. Irgenwann waren es so viele, dass ich fragen musste, ob die dort alle lebten. August verneinte mir das, die Leute seien für einen Tag hier um Urlaub zu machen, weil Feiertag war. Da fuhren tausende von Menschen wegen einem Tag drei Stunden hier raus, weil sie es selbst eigentlich nicht ertragen können in ihrer stinkenden, vermüllten Hauptstadt 😀 Lustigerweise waren wir durch die ¨ Inlandtouris¨ jetzt auf einmal zur Touristenattraktion geworden. Überall rannten die Kinder am Ufer den Reifen ein Stück hinterher und schrien, winkten und freuten sich. Komischer Moment, wenn du derjenige bist, der so behandelt wird, als wärst du ein Teil dieser so wunderbaren Welt, die du ja selbst nur für einen Atemhauch bewundern und ihr Besucher sein durftest.

Durchgeschüttelt, nass und lächelnd fuhren wir das letzte gerade Stück an all den freundlichen Gesichtern vorbei. Die Dschungeltour war zu Ende, und hat mehr gehalten, als verprochen war. Worauf ich mich am meisten freute, war kein Loch mehr zum scheißen graben zu müssen 😀 Die Sonne glitzerte vor uns über das Wasser, kichernde Mädchen badeten im reißenden Fluss, ohne fortgeschwemmt zu werden in kompletter Montur (ein großer Teil Indonesiens, wozu auch Sumatra zählt, ist muslimisch. Das Gesetz schreibt vor, dass jeder eine Religion zu wählen hat…andernfalls sind ihm viele Vorteile verwährt, wie Heirat, bestimmte Jobs und Familienzuwachs ohne Stress. Viele sind stolz darauf, wie bunt die indonesische Glaubenswelt dadurch geworden ist…jede Religion ist überall vertreten und existiert nebeneinander. Aber oft war es auch so, dass die Überzahl bedrohlich wurde. Eine Insel, mit hauptsächlich muslimischer Neigung, drängt einen Christen bspw. An Arbeitsplätzen oder in Liebesgeschichten zur Konvertierung, und bei Negierung ist Streit, gesellschaftlicher Ausschluss usw. Nicht selten…vor allem ist es vor einiger Zeit so gewesen. Ein weiterer Nachteil dieses Gesetzes der Religionen ist, dass viele natürlich nur einer Religion angehören, weil sie es müssen…nicht weil sie ihr mit Herz und Verstand glauben) Und wir sprangen an einem Steinufer gemeinsam von den Reifen und hatten uns zu beeilen, damit wir alle gemeinsam mit Gepäck und Reifen ans Ufer kamen, während der Fluss uns in Windeseile noch eine ganze Reise weiter tragen wollte. Ich war so gut drauf, wie schon seit Jahren nicht mehr. Meine Laune hatte einen absoluten Höchstpunkt erreicht. Ich hätte Bäume ausreißen können, meine Energie sprühte Funken und ich konnte und konnte nicht aufhören zu lachen, zu singen und herum zu hopsen. Tschibur sagte mir die ganze Zeit von der Seite, dass ich heute die Queen sei und alle deshalb so viel winkten, Fotos schossen und unserem Reifenkanu hinterher rannten, weil ich so auffallen würde. So schön wäre. Ich dachte mir nur bei mir, dass es sicherlich viele weibliche Geschöpfe gäbe, die sich in diesem Kompliment zu Recht baden würden, aber mir ist so etwas höchst unangenehm und glauben kann ich es auch nicht. Mal abgesehen davon, dass ich um meine schönen und nicht schönen Seiten weiß und ich solche Worte aus seinem Mund eher als Beleidigung verstand, nach unserer zwiespältigen Geschichte zusammen. Und in dem Moment, als ich ihm etwas schlagfertiges antworten wollte kamen ungelogen bestimmt 14 Jungs und Mädchen ans Ufer gelaufen und fragten, ob sie sich mit mir fotografieren lassen könnten. Oh Mann…hättet mein rotes Gesicht sehen sollen. Ich bin sowas von glücklich gewesen, als diese Foto-Session vorbei war und wir pitschnass und mit Sach und Pack, den nächsten Plastikstuhl-Schuppen am Ufer ansteuerten, weil die Mum uns allen ein Bier ausgeben wollte. Bier in Indonesien ist nicht zu unterschätzen…das sind immer 1l-Flaschen und man kann es teilweise trinken wie Wasser…wird aber deshalb auch schleichend und ohne Vorwarnung betrunken 😀 Jeder der mich kennt, ahnt, was dann folgte…

Wir schütteten uns zu…aber richtig 😀 Die Mum wurde mit jedem Schluck spendabler und es gab in den nächsten sechs Stunden keinen Moment, in dem einer der Runde kein Bier in der Hand hatte…und die Runde wurde größer und größer…das halbe Dorf saß in unserer kleinen, von Wärme und Licht erfüllten Uferbude – der Platzregen prasselte auf das Wellblechdach und wir machten Musik. Ich war mutig nach dieser kleinen – oder großen – Reise, und ich spielte auf der Gitarre des hübschen Ladenbesitzers (der war vielleicht 17, aber selbstbewusst und man sah wieviel Verantwortung er trug – für kleine Schwestern, Hundewelpen, den Laden und auch an anderen Orten des Dorfes, weil jeder zu ihm kam und um Rat und Hilfe bat), sang Lieder, die ich mir vorher nicht einmal zugetraut hätte und hatte bald eine kleine Fangemeinde von vielen Sumatra-Gesichtern die alle mitsingen wollten. Die Gitarre ging herum, der 17 Jahre alte Mr. Nice und ich sangen gemeinsam Songs aus seinem Songbook während er spielte, als hätte er nie etwas anderes getan. Bob Marley, Red hot chilli peppers…die ganze Lagerfeuer Palette eben mit Solos, wie man sie in den Songs selbst nicht zu hören bekam 😀 Wir wünschten uns auch manchmal, dass sie uns Lieder aus der Heimat vorsangen und die Inbrunst mit der das aus jeder Ecke des Ladens…von den Gehwegen daneben und auch gleichzeitig aus den Hütten geschah, die war schon mitreißend und magisch, wie man es sich aus einer exotischen Kultur wie dieser wünschen würde. Jeder konnte den Text und jeder sang, egal ob alt oder jung, Frau oder Mann…es war Energie in diesen Liedern und Geschichte. Es ging um die Palmölplantagen, um den geliebten Dschungel, um die reisenden Touristinnen, in die sie sich verliebten und es wurde geklatscht und getrommelt dazu. Ich konnte ab und zu durch die ganzen Gesichter den verklärten Blick meiner Mutter sehen, die strahlend, betrunken und still! Auf ihrem Stuhl saß und den Eindruck machte, als sei sie wieder in dem Moment angelangt, in dem ihr kleines Mädchen Menschen um sie herum aus dem Nichts zu einer Einheit werden ließ, indem sie mit Liebe auf sie zuging. Das ¨kleine Mädchen¨ selbst, bemerkte all diese Dinge nur aus der Erinnerung. Während dieser schöne Tag passierte war sie im Moment, tanzte Barfuß in der Mitte (wortwörtlich, betrunken genug war ich allemal :D) und freute sich erschreckend unschuldig über dieses Geschenk, ohne ihre Rolle darin zu bemerken. Das ist aber ja wahrscheinlich auch der Clue an der Sache…würde man so einen Tag versuchen zu erzwingen, oder sich seiner Wirkung bewusst sein, wäre das Reine an der Sache, die Echtheit und die Spontanität nicht herbeizuführen. Auch Tschibur war an diesem Tag wie ausgewechselt…wie stießen an und lächelten dabei, als würden wir Frieden schließen. Und ich fragte mich, ob die drei Jungs (Tschibur, August und Mogli) noch blieben, obwohl ihre Arbeit erledigt war, weil sie auf uns aufpassen wollten. Es kam mir jedenfalls vor, als würden sie weniger als die anderen trinken und immer ein Auge darauf haben, dass es uns gut ging.

Die Situation fing an sich ein klitze kleines bisschen zu drehen, als der Herr von und zu ¨voll hart¨ sich zu der Gruppe gesellte. Er war der einzige, der sich in den Kreis setzte und zu meiner Mum sagte ¨Bekomme ich auch eine Bier?¨. Sie war verdutzt, aber hatte keine Lust die Stimmung sausen zu lassen und lud ihn mit ein. Er konnte ziemlich gut deutsch sprechen und sang mit einem verzerrten Mund, den man nur aus Filmen von Knastis kennt, schräg die Lieder mit, die wir trällerten und riss Stück für Stück die Situation an sich. Er war anfangs eigentlich ganz interessant, erzählte uns von seiner Ehe mit einer deutschen Frau und seine halbe dramatische Lebensgeschichte, von der ich leider nicht mehr viel weiß 😀 Viel mit Drogen, enttäuschender Liebe, Reisen um die ganze Welt, von allen verraten, heute pleite und hier gefangen unter dem Fußvolk. Tschibur passte mich nachdem ich auf dem Klo war ab, legte freundschaftlich! (Wirklich) den Arm um mich und meinte, ich solle aufpassen mit dem Kerl, weil er gefährlich sein kann und ging wieder. Bald darauf hatte wir auch wirklich genug getrunken, verabschiedeten uns von unserer kleinen Party (der 17-jährige sagte mir, dass er begeistert war von meiner Stimme und noch nie ein Mädchen getroffen hatte, dass Gitarre spielen und singen konnte, das hat mich schon ein bisschen glücklich gemacht 🙂 ) und als Tschibur und August mit der Mum und den Rucksäcken in Richtung unseres Bungalows kicherten, hielt mich der Knasti nochmal am Arm fest, versuchte mir einen Kuss aufzupressen und war schwer enttäuscht, als ich mich wegdrehte und ihm sagte, dass der Tag heute am allerletzen ihm gegolten hat. Ich hab scheinbar Eier gekriegt im Dschungel 😀 Als wir zu viert lachend durch den Dschungel bei der Hütte ankamen, machten wir in unserem Vorzimmer Kerzen an und tranken zu viert noch unseren restlichen harten Banana-Brandy. Na wenn man schon mal angefangen hat 😀 Wir redeten und lachten, als gäbe es kein Morgen mehr. Tschibur erzählte uns, dass sie ¨flexible Moslems¨ wären, also eine gewählte Religion, weil sie ja wählen mussten, jedoch ohne die strengen Regeln. Allerdings war es für ihn ein absolutes Schockerthema, als wir anfingen über Homosexualität zu sprechen 😀 Ich versuchte alles, erklärte von schwulen Hamstern bis hin zu verbotener Liebe, und konnte es auf meine naive Art, die die Mum zum lachen brachte, nicht fassen, wie abfällig die Jungs über dieses Thema sprachen und dachten. Aber das Besondere an der Situation war, dass wir uns austauschen konnten. Wir erklärten uns gegenseitig und ließen uns Raum und Respekt für Antworten, egal wie heikel das Thema war. Es war ernsthaft ein Abend voller Harmonie in meinem Leben…in MEINEM Leben 😀 Die Mum beendete das, indem sie August bat, sich endlich wieder um seine Frau zu kümmern (er erzählte, dass er einen Sohn und eine Tochter habe und sich schon darauf freute, zu Hause nicht mehr kochen zu müssen :D) und die beiden verabschiedeten sich mit einer sehr sehr herzlichen Umamung. Als ich betrunken und mich im Karussel drehend im Bett lag, dachte ich noch einen letzten halbwegs tiefgründigen Gedanken….wenn man mal einen unbestreitbar eigenen Weg eingeschlagen hat, kommen die Geschenke nur so daher geflogen.

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