Beiträge mit dem Schlagwort: Taxi

Don´t Palm us off

Morgens um halb fünf! Stiegen wir völlig übermüdet aus dem Bett und schleppten unser schweres Gepäck den Weg zurück über die lange Hängebrücke zu dem schon wartenden public bus. Wir setzten uns ganz vorne hinter den Fahrer, weil wir dort auch die Beine ausstrecken konnten. Die Fahrt sollte laaange werden und die Breite der Sitze ließ zu wünschen übrig 😀 Aber man durfte im Bus rauchen, schon alleine weil die Türen meistens während der Fahrt offen standen und ich versuchte, wieder einmal mit Eisenfedern im Hintern und unter etlichen Verrenkungen zu schlafen. Viele Schulkinder fuhren mit diesem Bus über die hügelige Straße vier bis fünf Stunden nach Medan in ihre Schule, ohne eine Miene zu verziehen. Das Quietschen, krachen, und heulen des Busses machte es einem schwer, sich auf den inneren Schlafbedarf zu konzentrieren. Nach ca. Einer Stunde war der Bus so brechend voll und laut, dass man keinen Platz und auch kein Trommelfell mehr besaß und man wünschte sich einfach nur, dass die Fahrt endlich enden würde. Muslimische und christliche Schüler saßen nebeneinander und quatschten wie europäische Schulkinder, und mich faszinierte dieser liberale Umgang miteinander. Bei Kindern ist das alles noch einfacher, die nehmens einfach wies is. Gemault wird nur, weil es so beigebracht wurde…egal über was. Die weißen Schleier der Mädchen glänzten makellos über den Kopf gebunden wie ein kleiner Schrein durch den dreckigen Bus, der an kaputten, einzeln stehenden Häusern anhielt, um jedes einzelne Kind aufzusammeln. Ich konnte nicht einmal meine schwarzen T-shirts sauber halten auf dieser Reise, und diese jungen Damen sahen aus, wie aus einem Beautysalon in die dreckige Welt in der wir armen Sterblichen uns befinden hinabgestiegen 😀 Irgendwann fünf Stunden später weckte mich meine Mutter und wir hatten es ernsthaft überstanden, und ich schien trotz allem eingeschlafen zu sein…was Müdigkeit nicht alles kann. Wir sprangen in irgendeiner gruseligen medan´schen Straße raus und standen mit unseren Rucksäcken inmitten tausender brüllender Taxifahrer, die einen aber nicht verstehen konnten. Die Fahrt hatte wirklich nur 2 Euro pro Person gekostet…mit dem Taxi hätten wir 80 bezahlt. Also wie man sieht, man kann unfassbar billig reisen, wirft man mal alle Luxusorientierung über Bord. Einem der brüllenden Taxifahrer ergaben wir uns dann, und er brachte uns mit seinem klapprigen Auto (der Kofferraumdeckel fiel fast ab, als er unser Gepäck hinten verstauen wollte) zum Flughafen, von dem aus wir uns erhofften, mit einem Sammeltaxi zum Lake Toba gebracht zu werden. Die ganze Reise war unfassbar anstrengend. Wir aßen indonesisch am Flughafen und fanden ein Sammeltaxi, das allerdings noch auf weitere Passagiere wartete, um so billig reisen zu können. Wir zahlten für diese Fahrt  pro Person auch nur 10 Euro für 6 Stunden, saßen in einem klimatisierten Auto mit vier anderen Personen und dem Fahrer und hofften auch dieses Mal einfach nur, dass die Kamikazefahrt (ihr habt keine Vorstellung, wie diese Menschen Auto fahren…es sind teilweise Serpentinen mit zwei Lastern und unserem Taxi nebeneinander und keiner weiß mehr, wer jetzt eigentlich wen überholen wollte und ob hinter dem nächsten U-turn vielleicht noch so ein Irrer im selben Tempo in uns reinschießt) vorbeigehen würde 😀 Das Auto hielt jede Stunde wie ein öffentlicher Bus irgendwo an, alle Passagiere wechselten und die Fahrt ging wieder von vorne los. Man hatte keine Ruhe, ständig saß jemand anderes neben einem in dem engen Raum, dessen Fahrer sich nicht mit uns verständigen konnte. Es war ungemütlich und ruhelos, und als bei dem letzten Stopp noch zwei zugedröhnte Kerle halb ins Auto gefallen sind beim Einsteigen und der Indonesierin neben uns versuchten die Handtasche zu klauen (der Fahrer fuhr Gott sei Dank mit quietschenden Reifen weiter, als sie die Tür zuknallte und zu schimpfen begann…machte ihr jedoch die restliche Fahrt Vorwürfe für das verlorene Geschäft), wollte ich einfach nur noch raus. Das erschreckende war, dass wir 6 Stunden nur durch Palmölplantagen fuhren und ich mir irgendwann dachte, dass das doch einfach nur ein schlechter Scherz ist. Die ganze Insel (und die ist wirklich groß und noch nicht so touristisch) sah irgendwann aus, wie unser geliebter Dschungel. Und heute scheint kein Fleckchen mehr übrig zu sein, an dem nicht irgendein Industriestaat für einen Witz von einem Preis alles zugepflastert hat mit diesen in immer gleichen Abständen angepflanzten, großen, bedrohlich aussehenden Palmen. Im selben Augenblick, in dem ich mit schmerzerfüllten Augen zum Fenster hinausblickte und diese Gedanken mir durch den Kopf schossen, trauerte ich um meine kindliche Auffassung von Palmen. Ein erschreckend reales Erwachsen-werden, der Moment, in dem du Palmen siehst und an Kosmetikartikel und E10 Benzin denkst, statt an den Satz von Rise Against in Swing life away ¨and settle down where palmtrees grow¨. Das häufigste Orang Utan – Sterben in Sumatra liegt an Gewehrschüssen, weil sie vom Dschungel in die Plantagen hinüberhangeln (klar, vorher war da ja auch noch Dschungel) und dann einfach erschossen werden, damit sie die lebenswichtigen Palmen nicht beschädigen. Ist es nicht toll, dafür 50-cent yumyum suppe essen zu können? Manchmal frag ich mich wirklich, was der ganze Dreck soll. Damit das Leben für uns leichter ist, oder vielleicht manchmal billiger…aber nie damit es besser oder gesünder oder wertvoller ist, leiden, sterben und verrotten Menschen, Tiere und Land überall auf der Welt. Und trotzdem kommt es mir manchmal unheimlich schwer vor, immer auf seine eigenen Handgriffe zu achten. Man sieht es mit eigenen Augen, in einem Moment streichelst du einen Orang Utan und im nächsten siehst du, wie er für die yum yum Suppe erschossen wird…und trotzdem ist es nicht leicht, sich gegen die scheiß Suppe zu wehren, wenn du pleite in deinem gereinigten, weit von der Tragödie entfernten Zu Hause sitzt und dir stattdessen ne Dose Bohnen kaufen sollst. Zum Idealismus gehört Verbissenheit und Stärke dazu…und die Aufgabe sich immerwieder mit diesen Tragödien freiwillig zu beschäftigen. Und diese ganzen Dinge beißen sich wieder völlig mit der Luxus-land-Lebensweißheit, dass man all seine Leichtigkeit und Lockerheit dem Leben gegenüber gegen Zielorientierung und Verbissenheit eingetauscht hat. Hach…wenn ich doch nur wüsste, was ich machen soll, aus diesen ganzen Erkenntnissen…gemischt mit meinem schwachen Fleisch. Diskutiere ich mit meinem geliebten Ehemann über diese Themen, sieht die Sache für ihn meistens ganz einfach aus. Werde erfolgreich und verdien Kohle und dann kannst du dir den Luxus des Idealismus leisten. Aber so einfach ist die Sache für mich nicht. Natürlich ist das ein Argument, wofür viel Geld verdienen vielleicht seinen Zweck erfüllen würde. Wie gerne würde ich mir nur Bio-Gemüse kaufen, meine Klamotten selber nähen lassen, immer auf die Herkunft meines Baumatierials achten. Aber das Meer der Zerstörung durch westlichen Kauf ist endlos und am Anfang des Lebens ist es nicht erschwinglich sich KEINE IKEA-Möbel zu kaufen und bei Lidl nach Futter zu suchen. Obs der Verzicht auf Tüten, YumYumSuppen und Billigkaffee rausreißt kann ich nicht versprechen…und ich habs versucht. Ich hab schon oft Phasen im Leben eingelegt, in denen ich mich auf einen RICHTIGEN Lebenswandel konzentrieren wollte…das nur verzichten hat mich noch idealistischer gemacht und die Leichtigkeit des Seins ging flöten…egal ob es um Zigaretten, WG-Mitglieder oder Mülltrennung ging. Also ich glaube, ne Ideallösung hab ich noch nicht. Aber eines weiß ich, ich werde es nicht vergessen, was ich hier gesehen habe und mich daran erinnern, wenn es bei mir wieder Luxustechnisch drunter und drüber geht 😀 Und gleichzeitig darauf achten, dass mir meine Leichtigkeit immer das Wichtigste bleibt…denn wer der Verbissenheit mit Liebe und einem unbekannten Strahlen der Freiheit in den Augen begegnet, der tut der Welt damit auch einen großen Gefallen…vielleicht sogar den Größten. Sollifri

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